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Nicaragua – Streik im Paradies

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Nicaragua – Streik im Paradies
Nicaragua – Streik im Paradies

Aufgrund der aktuellen politischen Lage waren wir uns nicht sicher, ob wir Nicaragua überhaupt bereisen oder eine kurzfristige Planänderung vornehmen sollen. Wir entschieden uns dafür, zuerst eine Insel an der karibischen Küste Nicaraguas zu besuchen und zu beobachten, wie sich die Lage in diesen Tagen entwickelt.

Little Corn Island war auf Corinas Wunschliste und die Aufstände des Festlandes haben die Karibikinsel bisher noch nicht erreicht. Das kleine Paradies hat gerade mal 800 Einwohner und die Fortbewegung geschieht maximal per Velo (nicht einmal Golfwägeli sind erlaubt). Gepäck, Ziegelsteine, Bananen und kleine Familienangehörige werden mit der Schubgarette transportiert. Es gibt ein paar Beizen, ein paar Strände, unzählige Mangobäume und viele Auswanderer. Wir residierten in einem kleinen Holzhaus, welches wir noch für eine Nacht mit zwei lieben deutschen Tierärztinnen teilten. Die Mangos liegen auf der ganzen Insel verstreut am Boden und man darf sie einfach einsammeln. Für die Einheimischen offenbar keine grosse Sache mehr, denn einzig die Touristen schienen sich über diese fruchtige Überraschung zu freuen. So auch wir. Täglich genossen wir 4-5 Mangos und verbrauchten 1-2 Meter Zahnseide. Da das Angebot an reifen Früchten die Nachfrage klar überstieg, hatte man oft einen leichten Geruch von vergorenem Obst in der Nase. Dieser mischte sich meist mit dem lieblichen Duft von verbranntem Abfall. Eine kleine Geschichte am Rande; obwohl wöchentlich 1-2 Versorgungsschiffe die Insel erreichen, um die Bewohner mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Gebrauchs einzudecken, verlässt niemals ein Entsorgungs- oder Abfallschiff die Insel. Nie. Abrakadabra, Simsalabim!
Wir hatten Little Corn Island hauptsächlich wegen des Tauchangebots ausgesucht und daher verbrachten wir einen grossen Teil unter Wasser zwischen Rochen, Riffhaien, Schildkröten und farbenfrohen Korallenriffen. Corina erweiterte zudem Ihre Tauchbrevetierung und darf sich nun eidg. Dipl. Fisch nennen, was sich im Lebenslauf sicherlich gut macht.
Wie wir im Gespräch mit den Inselbewohnern schnell erfuhren, ist der Alltag auf einer Insel auch nicht anders als irgendwo sonst. Was für eine Überraschung. Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten ist die Versuchung, jeden Tag ein paar Bierchen zu höhlen und am Sunday-Funday ein paar Rumshots zuviel hinter die Binde zu kippen jedoch wohl ziemlich gross.
Die Tage auf der Insel vergingen wie im Flug. Aufgrund unserer tiefentspannten Gemütslage entschieden wir uns, die Pläne für die Reise nicht zu ändern und das Festland ebenfalls wie geplant zu erkunden.

Mit einem winzig kleinen Flugzeug, welches eher an ein Lego-Modell erinnerte, flogen wir zurück nach Managua. Manuel der Experten-Feilscher erhandelte uns ein günstiges Taxi und in weniger als einer Stunde standen wir auf dem mit Kolonialbauten gesäumten Stadtpark von Granada. Die Stadt gefiel uns auf Anhieb und zwei Bier und einen Haarschnitt später schlenderten wir gemütlich durch die kolonialen Gassen. Der nicaraguanische Coiffeurverband schreibt übrigens offensichtlich ein extrem effizientes Arbeiten vor; man nehme einfach das Ganze Haarbüschel auf einmal und schneide mit der grossen Schere soviel ab wie gewünscht. Eineinhalb Minuten später ist der Kunde zufrieden und der Dollar ist verdient. Hut ab (oder je nach Haarschnitt vielleicht auch Hut auf).

Von Granada aus machten wir einen Ausflug zum Kratersee in der Laguna de Apoyo sowie zum aktiven Vulkan Masaya. Bei einem Abendausflug konnten wir die heisse Lava blubbern sehen und erfüllten damit einen lange gehegten Traum von Manuel. Abends gingen wir kulinarisch ausnahmsweise wieder einmal fremd und gönnten uns eine Pizza. Was für eine Wohltat nach Tagen voller Reis und Bohnen (um fair zu bleiben; manchmal gab es auch Bohnen und Reis)!

Weiter gings auf die Isla de Ometepe, eine Insel im Nicaraguasee, welche für Ihre beiden Vulkane berühmt ist. Gerne würde wir mehr über die Insel erzählen, aber leider machte uns ein Streik der Landesbevölkerung einen Strich durch die Rechnung. Auf den Strassen wurden Blockaden errichtet (ein paar Büsche und brennende Autoreifen), was das bereisen der Insel verunmöglichte. Insofern sahen wir leider nicht allzu viel davon. Die Streiks verliefen aber sehr gesittet; die Menschen waren freundlich und die Stimmung überhaupt nicht angespannt. Unsere geplante Wanderung auf den Vulkan Concepcion wollten wir uns trotzdem nicht entgehen lassen. Deswegen machten wir uns trotz des fehlenden Transports (+ 2 Stunden zusätzlicher Wanderung) und fehlendem Guide (er wollte auch lieber streiken) an den staubigen und steilen Aufstieg über viel Geröll. Um ehrlich zu sein; die Wanderung rangiert aktuell auf dem letzten Platz aller je gemachten Wanderungen aufgrund ihres unliebsamen Geländes. Zum Glück kamen wir heil wieder unten an. Aber hey; einen aktiven Vulkan bestiegen! Immerhin…

Als letzte Station fuhren wir weiter nach León, einer Studentenstadt im Westen des Landes, bekannt für ihre Kirchen und für das Volcano-Boarding auf dem Cerro Negro. Letzteres wollte Manuel unbedingt ausprobieren und so bretterte er genüsslich die schwarzen Pisten hinunter.

Die Nicaraguaner sind unglaublich freundliche und hilfsbereite Menschen. Die aktuellen Aufstände zeigen, wie hilflos das Volk dabei zusehen muss, wie sich das eigene Land verkauft (wer Interesse hat sollte sich in die Thematik «Nicaragua-Kanal» einlesen – spannend, unglaublich und beängstigend) und sich der Reichtum von wenigen auf Kosten der Ärmsten weiter vermehrt. Die nächsten Monate werden entscheiden, wohin es mit diesem wunderschönen Land geht… es ist zu hoffen, dass aus Nicaragua kein zweites Venezuela wird.

So verlassen wir das Land mit einem lachenden und einem weinenden Auge, sowie 1,75 Liter Rum im Gepäck. Wir freuen uns auf die nächste Destination; Honduras!

Alle Fotos von Nicaragua findest du hier.

Tauchen auf Little Corn Island
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Karibischer Riffhai
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Ammenhai
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Letzte Ruhestätte mit Meerblick
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Weissflecken Feilenfisch
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Gefleckter Adlerrochen
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Sonnenuntergang
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Kathedrale Granada
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Gängiges Transportmittel in der Stadt wie auf dem Land
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Zigarrenmanufaktur in Granada
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Brodelndes Lava im Masaya Krater
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Vulkan Concepcíon im frühen Morgenlicht auf der Insel Ometepe
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Kathedrale in Léon
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Drückt irgendwie die aktuelle Stimmung im Lande aus
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Dampfender Cerro Negro Vulkankrater und Boarding Location
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