Nach einer vierstündigen Busfahrt und einem kurzen und schmerzlosen Grenzübertritt befanden wir uns bereits wieder in Chile. Als Ausgangspunkt für Wanderungen im Torres del Paine Nationalpark, dessen Hauptattraktion die erhabenen Gipfel des Torres-Massivs bilden, gilt der kleine Ort Puerto Natales. Den ersten Tag nutzten wir zur Organisation unseres fünftägigen Campingausflugs. Vieles an Equipment hatten wir ja bereits von Neuseeland mitgebracht, inklusive unseres geliebten Gaskochers. So benötigen wir nur noch Gaskartusche, Topf und vor allem; Essen! Es würden uns wohl wieder ein paar Pasta-Tage bevorstehen… ausserdem deckten wir uns mit genügend Schoggi und Trockenfrüchten ein. Zudem entschieden wir uns zum Kauf einer Thermoskanne. Im Nachhinein wohl eine der besten Entscheidungen unseres Lebens.
Die Reservationen für die Zeltplätze mussten wir bereits Monate im Voraus machen, da sich der Nationalpark sehr grosser Beliebtheit erfreut (bei uns geschehen in Thailand… und die Vorstellung, in Patagonien zu Zelten kam uns damals bei 35 Grad noch ziemlich absurd vor!).
Da wir noch einen Tag Zeit und bereits alles erledigt hatten, machten wir vorab einen kleinen Ausflug in den Nationalpark und begaben und auf eine Puma-Safari. Der Puma besiedelt das gesamte Gebiet der Anden und sein Bestand kann sich dank des geschützten Naturgebiets im Nationalpark sogar ein wenig erholen. Leider konnten wir keine dieser eleganten Katzen erspähen, wurden jedoch mit Guanakos, Kondoren, Adler, Nandus und einem Zwergarmadillo belohnt! Auf dem Rückweg lud unser Guide ein älteres Pärchen auf, welches am Strassenrand «autostöppelnd» auf eine Mitfahrgelegenheit hoffte. Es stellte sich heraus, dass der charmante und erzählfreudige gebürtige Italiener der Besitzer des gesamten Landes ist, welches wir in der letzten Viertelstunde durchfahren hatten. Der 88jährige hält auf 160 Quadratkilometern etwa 3’000 Rinder. In einem italienisch-spanischen Mix erzählte er uns wild gestikulierend diverse Anekdoten aus früheren Zeiten. Eine tolle Begegnung!
Und dann war es endlich soweit. Früh morgens bestiegen wir den Bus in Richtung Nationalpark. Auf dem bekannten W-Treck wollten wir das Gebiet von Westen nach Osten durchlaufen.
Die Chilenen sagen, dass man im Torres del Paine Nationalpark alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag erleben kann. Wir können nun bestätigen, dass dies nicht nur eine Redewendung ist. In unserem Fall war dies ein bisschen Winter, etwas Frühling, zu wenig Sommer und sehr sehr viel Herbst.
Mit dem Katamaran erreichten wir unseren ersten Zeltplatz, von wo aus wir uns sogleich auf unsere erste Tagesetappe aufmachten. Die Menschen die uns auf diesen Wanderungen begegneten, hätten unterschiedlicher nicht sein können. Vom Flipflop-Wanderer bis hin zum Everest-Besteiger war alles vorhanden! Mit viel Wetterglück (das heisst, trockenen Fusses) erreichten wir den Grey-Gletscher und kamen noch rechtzeitig ins Camp zurück, bevor der Regen heftiger einsetzte. Einen Topf voller Pasta später krochen wir dann zum ersten Mal in unsere Schlafsäcke und sagten uns noch: ach das mit dem campen ist ja eigentlich nur halb so wild…
Ach, wie sollten wir uns täuschen.
Als wir am nächsten Morgen nach einer halbwegs erholsamen Nacht erwachten stellten wir entgeistert fest, dass unser Zelt trotz seines jugendlichen Alters bereits an massiver Inkontinenz leidet. Vom Innenzelt perlten kalte Regentropfen auf unsere Schlafsäcke… nun gut. Nur noch drei Nächte. Es wird ja jetzt nicht jede Nacht regnen!
Ach, wie sollten wir uns täuschen.
Eine aufgrund des schlechten Wetters nicht weiter nennenswerte Wanderetappe später erreichten wir Camp Nummer zwei. Durchnässt und frierend stellten wir bei Regen unser sowieso bereits nasses Zelt auf und freuten uns auf ein heisses Abendessen und eine wärmende Tasse Tee. Das sollte es jetzt aber schon langsam gewesen sein mit dem Regen.
Ach, wie sollten wir uns täuschen.
Nachdem es in der Nacht während ein paar Stunden tatsächlich aufgehört hatte zu regnen, kübelte es dafür am Morgen umso enthusiastischer. Und während sich ein paar verzweifelte Amerikanerinnen auf dem Camping-WC eine hoffentlich wasserfeste Schicht Make-Up auftrugen, zwängten wir uns widerwillig in unsere noch immer triefendnassen Wanderkleider des Vortags. ‘Camping macht Spass… Camping macht Spass…’ man muss dieses Credo nur immer und immer wieder wiederholen… dann geht’s. Unsere Tagesetappe, die uns zu einem wunderschönen Aussichtspunkt hätte führen sollen, war aufgrund des Wetters geschlossen und nicht passierbar. So liefen wir halt so weit wie erlaubt durch Bachbetten, die gleichzeitig als Wanderwege dienen und versuchten, uns durch Bewegung aufzuwärmen. Leicht frustriert stürzten wir uns auf unseren Schokoladenvorrat und versuchten so, wenigstens das Gemüt ein bisschen zu wärmen.
Zwei Snickers und eine Tafel Schokolade später analysierten wir unsere Situation: bei diesen Bedingungen machte die ganze Sache natürlich nur begrenzt Spass und Sinn. Wir beschlossen, am nächsten Tag zu entschieden wie es weitergehen soll. Einen Tag früher nach Puerto Natales zurückzukehren wäre sicher schlauer, als sich unnötig zu erkälten.
Doch dann. ENDLICH; die Wende…? Zumindest ein Erwachen ohne das frustrierende Geräusch von Regen, welcher aufs und durchs Zeltdach plätschert.
Diese leichte Wetterbesserung bedeutete, dass dies wohl unsere einzige Chance auf einen guten Wandertag werden würde. Kurzerhand entschieden wir, die Etappen, die wir ursprünglich in zwei Tagen machen wollten, in einem Tag abzuspulen. Und es sollte die richtige Entscheidung sein! Nach und nach besserte das Wetter und es zeigte sich nach einigen Stunden sogar die Sonne. Und nachdem wir unseren letzten Campingplatz erreicht hatten, schmissen wir das Zelt in den Abfall, buchten ein Hostel in Puerto Natales und machten uns um die Mittagszeit an den steilen Anstieg zum Torres.
Dieser auch bei Tagestouristen beleibte Ausflug gleicht einer kleinen Massenwanderung ohne Altersbegrenzung. Was zuvor in Sachen Equipment eher übertrieben wurde, wird hier grosszügig vernachlässigt. In Sneakers oder mit dem Baby auf dem Rücken (kein Scherz) krakselt Hinz und Kunz den steilen, verschneiten und vereisten Hügel hinauf (400 Höhenmeter auf 1km Weg = 40% Steigung) und schiesst schwer schnaubend seine Instagram-Fotos. Die Warteschlange am Aussichtspunkt ist schlimmer als die an der Migros-Kasse vor dem langen Osterwochenende!
Diese letzte Etappe entschädigte uns zum Glück für alles. 9 Wanderstunden, 33 Kilometer, mindestens 4 Snickers, ein Bier und eine zweistündige Busfahrt später sanken wir todmüde aber glücklich in unser warmes Bett. Nie wieder Camping. Nie. Wieder.
Nun haben wir noch zwei Tage Zeit um uns zu erholen, Kleider zu trocken und unseren Körpern etwas Gutes zu tun (Wein und Fleisch) bevor es uns wieder in warme Gefilde verschlägt: Iguazú!
Alle Fotos von Chile findest du hier.
Das Wetter macht nicht mit
Zauberwald
Der Weg ist ein Fluss
Campen macht Spass
Sehr geil gschribe
Thx, d Corina häts halt im Griff 🙂